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Die UN-Resolution 1325 „Frauen, Frieden und Sicherheit“


Ich bin eine Frau. Vor ein paar Wochen lag ich in Hamburg mit einer Freundin in der Nachmittagssonne. Und vor ein paar Wochen wurde ich in der Hamburger Nachmittagssonne um mein Leben bedroht, als mich ein Mann aufforderte ihm Tabak zu geben, und ich verneinte und ihn bat mich in Ruhe zu lassen. Allerdings drohte er nicht nur mich umzubringen zu wollen, „wenn ich mich dort jemals wieder blicken lasse“, sondern auch, mich zu vergewaltigen – und das alles beschrieb er auf die bildhafteste Art und Weise. Dass seine schon gehobene Hand nicht in meinem Gesicht landete, lag vermutlich daran, dass ich einen anderen Mann in der Nähe sofort um Hilfe bat - und daran, dass ich den Kopf einzog und mucks-mäuschen still war, als er mir, während ich meine Sachen zusammenpackte, den Tod durch Vergewaltigung wünschte. Seitdem habe ich mehr Angst als vorher, allein unterwegs zu sein. Das Ganze geschah an einem Ort, wo ich nach Feierabend gerne gelesen habe und regelmäßig vorbeigejoggt bin. Mittlerweile habe ich mir einen neuen Lese-Ort und eine neue Jogging-Strecke gesucht. Der Mann, der mich bedroht hat, hat seine Macht also erfolgreich demonstriert – ohne mich überhaupt zu berühren: Allein, indem er mir vor Augen geführt hat, was er mir alles antun könnte, weil er mir körperlich überlegen ist. Weil er ein Mann ist, und ich eine Frau.

Das ist keine schöne Geschichte. Und ich kann mir vorstellen, dass sich einige Leser*innen erstmal fragen werden, was diese Geschichte hier, in einem Text über eine UN-Resolution für vor allem Frauen in Kriegsgebieten, zu suchen hat. Doch genau das möchte ich erklären.

Ich habe keine persönliche Ahnung von Krieg. Als in Deutschland lebende Frau kann ich nur davon erzählen, wie ich in meinem Alltag erlebe, dass ich das körperlich schwächere Geschlecht bin. Wie ich daran erinnert werde, dass ich mich meistens nicht gegen einen Mann wehren könnte, weil er durchschnittlich größer, stärker und schneller sein wird als ich. Und natürlich geht es dabei nicht wirklich um mich, sondern mein Frau-Sein. Als ich meinen Freundinnen von meiner Erfahrung erzählte, mischten sich Schrecken und Angst mit dem verbitterten Verständnis, selbst schon ähnliche Erfahrungen gemacht zu haben. Meiner Mitbewohnerin habe ich einen Tag später eine Dose Pfefferspray mitbestellt und sie später gebeten, es mit zu einem ersten Date zu nehmen. Die Freundin, die mit mir dabei war, hat sich auch eine besorgt. Zwar zielten die Aggressionen des Mannes an dem Tag auf mich, nicht sie, und meine Mitbewohnerin war nicht mal dabei, aber auch sie wurden beide an ihre körperliche Wehrlosigkeit erinnert; an die patriarchalen und frauenfeindlichen Strukturen, die in unserer Gesellschaft bestehen und „für Ordnung“ sorgen; und daran, dass die beste Chance für eine Frau oft ist, sich klein und leise zu machen.

Wenn wir das verstehen, müssen wir uns jedoch nun vor Augen führen, dass sich solche Strukturen in Krisensituationen um ein Extrem verstärken. Sexualisierte Gewalt ist eine Waffe, die in Kriegen nicht selten strategisch eingesetzt wird. Die Opfer davon sind meist Frauen und Mädchen – und ihre Familien. Wenn wir daran denken, wie schon eine verbale Bedrohung mich und meinen Freundinnenkreis verschreckt hat, so ist es kaum vorstellbar, was Massenvergewaltigungen in Kriegsgebieten auslösen können. Natürlich vor Allem bei den betroffenen Frauen selbst, aber eben auch bei ihren Partner*innen, ihren Kindern, und in ihrem Umfeld. So funktioniert sexualisierte Gewalt als grausames Mittel ganze Gesellschaften zu traumatisieren, entwürdigen und unterdrücken. Völlig zurecht also gelten Sexualisierte Gewalt und Vergewaltigung unter internationalem Recht als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das heißt, dass Täter vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) der Vereinten Nationen verurteilt werden können und nicht ungestraft bleiben.

Weil Kriegsverbrechen jedoch im Nachhinein oft schwer nachvollziehbar sind und der IGH unmöglich alle Täter ausfindig machen kann, und vor Allem weil (sexualisierte) Gewalt gar nicht erst ausgeübt werden darf, braucht es viel mehr: Und zwar viel mehr Frauen, Frieden, und Sicherheit. Weil diese drei Punkte so unweigerlich zusammenhängen, wurde am 30. Oktober 2000 die Resolution 1325 für „Frauen, Frieden und Sicherheit“ vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ins Leben gerufen. Sie stellt den Beschluss dar, Frauen stärker an internationalen Friedens- und Sicherheitsprozessen zu beteiligen.

Das gilt nicht nur für unmittelbare De-Eskalation und nachfolgenden Friedensverhandlungen; sondern bedeutet auch, dass Frauen bei zivilen und militärischen Fragen im Allgemeinen mitentscheiden. Denn Friedens- und Sicherheitsbildung setzen voraus, dass es vorher einen Konflikt gab – und solche Konflikte betreffen Frauen und Männer eben unterschiedlich. Deswegen ist es wichtig, dass Frauen mitreden, wenn in einem Staat oder einer Region neue Regeln verhandelt werden. Sonst laufen solche Verhandlungen in Gefahr durch Männliche Perspektiven dominiert zu werden, wodurch keine Veränderung unterdrückerischer Strukturen eintreten kann. Nur durch die aktive Beteiligung von Frauen an dem Wiederaufbau einer Gesellschaft kann also gewährleistet werden, dass Frauen und Mädchen in Kriegsgebieten künftig der besondere Schutz zu kommt, den sie benötigen.

Aber: Frauen sind nicht nur Opfer! Sie bringen Perspektiven, Erfahrungen und Wissen mit, welche bis heute noch oft ungehört bleiben. Wenn die Hälfte der Bevölkerung nicht mitreden darf, ist es also kaum möglich, dass faire Gesellschaften geschaffen werden oder erhalten bleiben. So sind Frauen unentbehrliche, aktive Akteurinnen, wenn es um den nachhaltigen (Wieder-)Aufbau von Gerechtigkeit geht. Ohne Frauen, keinen Frieden!


Mima Neubert


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